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Neue Kriegsmaterial-Verordnung: Kurswechsel oder Kosmetik?

Der Druck der Initiative für ein Verbot von Kriegsmaterial-Exporten trägt erste Früchte. Wie die "NZZ am Sonntag" berichtete, will Doris Leuthard in der Kriegsmaterial-Verordnung neu fünf Ausschlusskriterien für die Bewilligung von Waffenausfuhren verankern. Doch wird sich die Bewilligungspraxis tatsächlich ändern?

Keine Ausfuhrbewilligung soll in Zukunft nach dem Verordnungsentwurf erteilt werden, wenn im Empfängerland "die Menschenrechte systematisch und schwerwiegend verletzt" werden, der Staat "in einen bewaffneten internen oder internationalen Konflikt" verwickelt ist oder wenn "ein hohes Risiko besteht, dass die zu exportierende Waffenart gegen die Zivilbevölkerung eingesetzt wird". Ausgeschlossen werden sollen auch Kriegsmaterialexporte an die ärmsten Staaten der dritten Welt. Und schliesslich sollen Waffenausfuhren untersagt werden, wenn eine Verletzung der Endverbrauchererklärung zu erwarten ist.

Dieser Vorschlag, dem der Gesamtbundesrat noch zustimmen muss, stellt zweifellos eine Verbesserung gegenüber dem Status Quo dar: Bisher ist etwa die Menschenrechtssituation im Empfängerland nur eines von vielen Kriterien, die gegeneinander abgewogen werden. So können auch Regimes, die schreckliche Menschenrechtsverletzungen verüben, mit Waffen beliefert werden, wenn ein überwiegendes Interesse der Schweizer Rüstungsindustrie besteht.

Der Interpretationsspielraum ist indes auch bei der neuen Regelung gross, und der Teufel steckt im Detail. Was das erste Kriterium angeht, so sind die Wörtchen "systematisch" und "schwerwiegend" von grosser Bedeutung. So besteht etwa unter VölkerrechtlerInnen (zumindest ausserhalb der Vereinigten Staaten) ein weitgehender Konsens dahingehend, dass die Verhörmethoden der USA im "war on terror" als Folter einzustufen sind. Doch nicht jede regelmässige Menschenrechtsverletzung gilt auch als systematisch. Es ist deshalb zu erwarten, dass der Bundesrat Waffenlieferungen an die USA weiter zulassen wird.

Auch die anderen Kriterien könnten so ausgelegt werden, dass die Beteiligten der Kriege im Irak und in Afghanistan weiterhin mit Waffen beliefert werden können: So erklärte der Bundesrat den Irak-Krieg bereits 2003 für beendet, sodass das zweite Ausschlusskriterium kaum zur Anwendung gebracht werden dürfte. Und auch wenn rund 90 Prozent der Opfer in modernen Kriegen ZivilistInnen sind, wird der Bundesrat wohl argumentieren, solange es sich "nur" um Kollateralschäden handle, richteten sich Militäreinsätze nicht gegen die Zivilbevölkerung.

Dafür, dass die Änderung der Kriegsmaterialverordnung eher kosmetischer Natur ist, sprechen die neuesten Bewilligungen, die der Bundesrat erteilt hat: Er stimmte unter anderem dem Export von Maschinenpistolen nach Saudiarabien sowie von Granatwerfern, Sturm- und Maschinengewehren und Munition nach Ägypten zu. Für die Kosmetik-These spricht auch, dass die Ausschlusskriterien nicht im Gesetz, sondern in der Verordnung verankert werden sollen: So kann der Bundesrat die neuen Regeln in eigener Kompetenz wieder aufheben, wenn der friedenspolitische Druck nach der Abstimmung über die Initiative für ein Verbot von Kriegsmaterial-Exporten nachlässt. Um einen konsequenten Schlussstrich unter die unheilige Waffenausfuhr-Politik der "neutralen" Schweiz zu ziehen, ist also weiterhin eine Annahme dieser Initiative nötig.

Kommentare

Der erste Test, ob im Bundesrat auch nur in Ansätzen ein Umdenken stattgefunden hat, ist der beabsichtigte China-Export von Pilatus. Ein Versuch, diesen durchzuwinken, dürfte der Initiative jedenfalls gehörig Auftrieb verleihen.