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So flunkert die Rüstungslobby

Im Auftrag der Rüstungslobby hat die PR-Agentur Farner ein Argumentarium  gegen die Volksinitiative für ein Verbot von Kriegsmaterial-Exporten erarbeitet. Mit der Wahrheit nimmt sie es dabei nicht so genau.

"Strenge Exportgesetzgebung bewährt sich in der Praxis"

So lautet ein Zwischentitel des Farner-Argumentariums. Zur Begründung dieser Einschätzung wird ausgerechnet der Entscheid des Bundesrates vom 14. November 2007 herangezogen, die Lieferung von Fliegerabwehrsystemen mit Munition nach Pakistan zu suspendieren. Was Farner verschweigt: Bereits im April 2008 wurde die Suspendierung wieder aufgehoben. Tatsächlich war Pakistan im Jahr 2008 mit Abstand der grösste Kunde der Schweizer Rüstungsindustrie.

Das Muster ist immer dasselbe: Wird der öffentliche Druck zu gross, so wird ein Geschäft vorübergehend sistiert - nur um es kurz darauf stillschweigend doch zuzulassen. So geschehen auch im Fall der als internationale Waffendrehscheibe bekannten Vereinigten Arabischen Emirate, die Schweizer Kriegsmaterial illegal nach Marokko weitergeliefert hatten.

"Ein weiterer Beweis für die umfassende und funktionierende Kriegsmaterialexport-gesetzgebung ist die Ablehnung der Gesuche für die Ausfuhr von Kriegsmaterial nach Pakistan, Ägypten und Saudi-Arabien vom 25. März 2009," schreibt Farner. Tatsache ist: Alle drei Staaten wurden im ersten Halbjahr 2009 mit Schweizer Waffen beliefert , Saudi-Arabien war gar drittgrösster Abnehmer. Wohlweislich hatte der Bundesrat diese Geschäfte schon früher bewilligt. Und sollte die Volksinitiative für ein Verbot von Kriegsmaterial-Exporten abgelehnt werden, so wird er nach der Abstimmung neue Bewilligungen erteilen. Die Waffenausfuhren in diese Länder werden real nie unterbrochen. Von einer "strengen Exportgesetzgebung" kann also keine Rede sein.

Noch absurder ist die Farner-Argumentation im Bezug auf das Pilatus-Flugzeug, mit dem die tschadische Armee im Grenzgebiet zum Sudan Splitterbomben abwarf: "Auch die jüngst wegen der Verwendung in einem bewaffneten Konflikt (durch die Regierung von Tschad) in Kritik geratenen Exporte von Trainingsflugzeugen der Pilatus Flugzeugwerke AG in Stans bieten keinen Anlass für eine Verschärfung der Gesetzgebung. Die durch das Staatssekretariat für Wirtschaft SECO bewilligte Ausfuhr trug den einschlägigen Rechtsgrundlagen vollumfänglich Rechnung." - Die Exportgesetzgebung ist also streng, weil sie selbst dann nicht verletzt wird, wenn Waffenausfuhren eklatanten Menschenrechtsverletzungen Vorschub leisten?

"Über 10'000 Arbeitsplätze in der Exportindustrie gefährdet"

Farner PR bezieht sich im Argumentarium auf die Studie  des "renommierte[n] Wirtschaftsforschungsinstitut[s]" BAK Basel Economics. Doch von "über 10'000 Arbeitsplätzen" ist dort keine Rede. Vielmehr beschäftigt die Waffenexportindustrie laut der Studie direkt 3'335 Personen, zusätzlich schafft die Branche 1'797 Arbeitsplätze bei Zulieferfirmen.

Die Diskrepanz erklärt die Agentur mit angeblichen Auswirkungen der Initiative auf doppelt verwendbare und zivile Güter, die von der Initiative nicht erfasst sind. Einen wissenschaftlichen Beweis für die Behauptung bleibt Farner PR schuldig - weil es keinen gibt. Eine britische Studie , die in der Fachzeitschrift "Applied Economics" erschien, zeigt vielmehr: Waffenausfuhren haben keinen stimulierenden Effekt für zivile Exporte.

"Kaum handelspolitische Unterstützung"

Auch die Behauptung, die Waffenexportindustrie erhalte kaum handelspolitische Unterstützung, ist nachweislich falsch. Tatsächlich profitieren Rüstungsfirmen nicht nur vom Netzwerk von Militärattachés für Marketing im Ausland und von Exportrisikogarantien, sie werden auch durch überteuerte Rüstungsbeschaffungen im Inland und durch Kompensationsgeschäfte bei Beschaffungen im Ausland massiv subventioniert.

Laut einem Bericht der Eidgenössischen Finanzkontrolle lag das Volumen der Kompensationsgeschäfte in den Jahren 1995-2005 bei 4.8 Milliarden Franken. 10 Prozent davon, also 480 Millionen Franken, betrafen Aufträge für Waffen und Munition. Dazu kommen "besondere militärische Güter" in unbekannter Höhe. Die Finanzkontrolle kommt zum Schluss, dass die Kompensationsgeschäfte weit weniger beschäftigungswirksam sind als behauptet und die Rüstungsprogramme um rund 10 Prozent verteuern. Dass die Praxis dennoch nicht geändert wurde, lässt sich nur durch den politischen Einfluss der Rüstungslobby erklären.

Insgesamt dürften die Kosten, welche die Rüstungsexportindustrie den SteuerzahlerInnen heute verursacht, höher liegen als die Kosten der Unterstützungsmassnahmen, welche die Initiative zugunsten der betroffenen Regionen und Arbeitnehmenden vorsieht. Die BAK-Studie geht davon aus, dass die Initiative Kosten in der Höhe von 83 Mio. Franken im ersten Jahr nach Annahme der Initiative verursachen würde, zwei Jahre später sind es noch 33 Mio. Franken. Darin eingerechnet sind Umschulungsmassnahmen, Steuerausfälle, die Kompensation von Lohnausfällen sowie Mehrkosten bei den Sozialversicherungen.

"Ziel der Initianten bleibt die Abschaffung der Schweizer Armee"

Tatsache ist: Längst nicht alle Organisationen des Bündnisses gegen Kriegsmaterial-Exporte wollen die Armee abschaffen. Weder der Zentralvorstand der Evangelischen Frauen Schweiz noch terre des hommes schweiz oder die Gesellschaft für berdohte Völker verfolgt dieses Ziel.  Auch Justitia et Pax, eine Kommission der katholischen Kirche, empfiehlt eine Annahme der Initiative - und bekennt sich ihrer Stellungnahme zugleich zum "Prinzip der legitimen Selbstverteidigung".

Weitere tendenziöse Aussagen

"550 Firmen betroffen - aber nur eine Handvoll grosse Unternehmen" lautet ein weiterer Titel im Farner-Argumentarium. Nun ist es zwar richtig, dass es in der Schweiz nur eine Handvoll grosser Rüstungskonzerne gibt. Doch der vermittelte Eindruck, von der Initiative seien in erster Linie KMU betroffen, ist falsch. Tatsächlich machen die bundeseigene Ruag, die transnationalen Konzerne Rheinmetall Air Defence (ehemals Oerlikon Contraves) und Mowag (im Besitz von General Dynamics) sowie die Pilatus-Flugzeugwerke zusammen rund 75 Prozent der Branche aus.

Die Grafiken, welche unter dem Titel "Die Schweiz im internationalen Vergleich" aufgeführt sind, werfen die Frage auf: Weshalb verwendet Farner PR Zahlen aus den Jahren 2003-2006, obwohl längst neuere Statistiken vorliegen? Wohl nicht zuletzt deshalb, weil die Schweizer Waffenexporte im Jahr 2008 neue Rekordhöhen erreichten - die Schweiz war nach Israel zweitgrösste Pro-Kopf-Exporteurin von Kriegsmaterial.

Fazit

Offenbar hat die Rüstungslobby wenig Vertrauen in ihre Argumente, sonst würde sie nicht auf irreführende Aussagen und falsche Zahlen zurückgreifen. Mit einer millionenschweren Kampagne versucht Farner PR den Eindruck zu erwecken, Waffenexporte seien für die Schweizer Wirtschaft unverzichtbar. Dabei macht die Ausfuhr von Kriegsmaterial und "besonderen militärischen Gütern" nur 0.1 Prozent der schweizerischen Wertschöpfung aus - gleich viel wie die Herstellung von Holzfenstern.  Das Bündnis gegen Kriegsmaterial-Exporte ruft die Medien dazu auf, die angeblichen "Fakten", die von Farner PR gestreut werden, genau zu hinterfragen.

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Argumentarium von Farner PR